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Zuzanna Ginczanka wurde als Zuzanna Polina Gincburg im noch zaristischen Kiew als Tochter jüdischer Russen geboren.

Portret

Ihre Eltern wanderten nach dem Ausbruch der Oktoberrevolution nach Westen aus. Die Familie ließ sich in Rivne in Wolhynien nieder, das bald zur neu gegründeten Ukraine gehörte. Ihr Vater verließ die Familie jedoch schon kurze Zeit später und ging über Berlin nach Hollywood, wo sich seine Spur verliert. Ihre Mutter heiratete bald darauf einen tschechischen Braumeister und zog mit ihm nach Pamplona in Spanien. Zuzannna wuchs fortan bei ihren Großeltern in Rivne auf, wo ihre Oma Klara Sandberg eine Apotheke führte.

Voller Erfolg!

Sie besuchte dann trotz ihres russisch- und ukrainischsprachigen Umfelds das polnische Gymnasium in Rivne und begann schon im Alter von zehn Jahren, Gedichte auf polnisch zu schreiben. Auf Anregung von Julian Tuwim nahm sie 1934 an einem landesweiten Lyrik-Wettbewerb teil und erhielt mit ihrem Gedicht Gramatyka eine Auszeichnung. Das markierte den Start einer steilen Literatur-Karriere.

Schon ihre früheste Lyrik ist voll kompromissloser Subjektivität, die frei und ungezwungen mit androgynen und archaisch-heidnischen Motiven spielt und gegen alle Arten von Voreingenommenheit und Vereinnahmung ankämpft.


School

Nach dem Abitur zog sie zum Studium nach Warschau und nannte sich Zuzanna Ginczanka. Sie veröffentlichte satirische und antifaschistische Gedichte, ua. für die führende polnische Literatur-Zeitschrift Wiadomości Literackie und gehörte als einzige Frau dem Kreis um die Gruppe Skamander an. Sie verkehrte in der Warschauer Bohème, wo sie ua. mit dem um 13 Jahre älteren Witold Gombrowicz befreundet war.

1936 feierte sie – neunzehnjährig – ihr Lyrik-Debüt mit dem Band »O centaurach« - »Von Zentauren«.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs konnte sie nicht mehr nach Warschau zurück. Nur Wochen später, nach dem Einmarsch der Sowjettruppen, musste sie von ihrem Sommeraufenthalt bei den Großeltern in Rivne in die zwar dann bald auch von der Sowjetunion okkupierte, aber immerhin polnische Stadt Lviv/Lwów fliehen. Dort heiratete sie Anfang 1940 den polnischen Kunsthistoriker und Antifaschisten Michał Weinzieher (1903–1944) und arbeitete als Journalistin und Übersetzerin (ua. von Majakowski).

Als die deutsche Wehrmacht im Juni 1941 jedoch im Bruch der Ribbentropp-Verträge auf dem Weg nach Moskau in Lviv/Lwów/Lemberg einmarschierte, musste sie sich wieder verbergen und nach einer Denunziation und der folgenden Polizeiaktion im Sommer 1942 wieder fliehen. Aus dieser Zeit stammt ihr wahrscheinlich letztes Gedicht. Es hat keinen Titel, beginnt mit der lateinischen Phrase „Non omnis moriar“ - nicht alles von mir wird sterben von Horaz.

Sie erinnert darin an die Namen ihrer Vermieterin, „Frau Chomin aus Lemberg, tapfere Spitzelgattin“, und ihren Sohn, ebenfalls ein Nazi-Kollaborateur, von denen sie bei den Nazis denunziert worden war.

Dieses Gedicht war nach dem Krieg wichtiges Beweismittel im Gerichtsprozess gegen die Denunziantin und führte mit zu ihrer Verurteilung.

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Überlebensstrategie

Das Gedicht - unbestreitbar ein Meisterwerk zum Thema Holocaust - hatte sie auf einen Zettel geschrieben und später bei einem Treffen einer Freundin übergeben.

Dank der Hilfe von Freunden konnte sich Ginczanka ab 1943 mit ihrem Mann in Krakau verstecken, auf Grund Ihres Aussehens konnte sie das Haus aber nicht mehr verlassen.

friends

Ermordung

Nach einer neuerlichen Denunziation durch Nachbarn wurde sie im Herbst 1944 von der Gestapo verhaftet und in der Haft gefoltert. Ihr Ehemann und ihr Freund waren schon etwas früher, vermutlich im Frühjar 1944, erwischt und ermordet worden.

Ende 1944 - zum genauen Zeitpunkt und Ort gehen die Meinungen auseinander - wurde dann sie und ihre mit gefangen genommene Freundin Blumka Fradis im Hof des Krakauer Gefängnisses Montelupich erschossen, nur Wochen vor der Befreiung Krakaus durch die Rote Armee im Januar 1945.

Ihre Großmutter Klara Sandberg war schon vorher beim Transport der Juden von Rivne in ein nahes Konzentrationslager einem Herzversagen erlegen.


Ihre Gedichte wurden in Polen nach dem Krieg in einer Anthologien veröffentlicht, von ihrer im Krieg entstandenen Arbeit war außer dem Gedicht Non omnis moriar aber fast nichts erhalten. Zuzanna Ginczanka war dann außerhalb der polnischen jüdischen Forschung lange Zeit vergessen.

Dank der Forschungsarbeit der Posener Literatur-Professorin Izolda Kiec, die 1994 mit ihrer Dissertation die erste Monografie veröffentlichte, wurde ihr Werk und ihr Leben in Polen wieder einem breiteren Publikum zugänglich. Agata Araszkiewicz brachte im Jahr 2002 dann eine weitere viel beachtete Monografie heraus und der Lyriker Tadeusz Dąbrowski legte 2014 mit „Wniebostąpienie Ziemi“ - also „Himmelfahrt der Erde“ eine Sammlung ihrer Gedichte neu auf. Sie wurde ins Englische und Italienische übersetzt, es gab einen Film über sie und eine große Ausstellung in Warschau vergangenen Winter.

Es geht in Polen also wieder steil bergauf mit Zuzanna Ginczanka, könnte man sagen.

Und hier?